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    O HERR, welch unermessliche Vielfalt zeigen deine Werke!

    Psalm 104,24

Lars Lindemann - Polizeiseelsorger im Kreisdekanat Kleve und Wesel

Die Polizistinnen und Polizisten aus den Kreisen Kleve und Wesel haben einen eigenen Seelsorger. Seit Februar 2018 nimmt sich Lars Lindemann ihrer Sorgen und Probleme an. Haben Sie sich vielleicht schon einmal gefragt, was macht eigentlich ein Polizeiseelsorger? 

Wir durften mit Lars Lindemann ein Interview führen und möchten Ihnen heute gerne einen kleinen Einblick in seine Arbeit geben.

Könnten Sie uns kurz erzählen, wie Sie zur Polizeiseelsorge gekommen sind?

Ich bin unerwartet vor 8 Jahren vom damaligen Personalchef angesprochen worden, ob ich mir nicht vorstellen könnte, als Polizeiseelsorger zu arbeiten. Nach kurzer Bedenkzeit habe ich diese Herausforderung gerne angenommen.

Was bedeutet Polizeiseelsorge für Sie persönlich – und was unterscheidet sie von anderen Formen der Seelsorge?

Die Polizeiseelsorge ist für mich ein Angebot der Kirche für Menschen in der Polizei und deren nahem sozialen Umfeld. Das bedeutet für mich, sie im beruflichen, wie auch im privaten Alltag begleiten zu dürfen.

Wie sieht ein typischer Tag in Ihrer Arbeit aus – oder gibt es überhaupt einen „typischen“ Tag?

Es gibt keinen typischen Arbeitsalltag. Wir bieten unseren Dienst 24/7 an. In diesem Arbeitsfeld geht man sehr verantwortlich mit diesem Angebot um. Neben Einzelgesprächen, Seminaren, begleite ich auch Dienstgruppen im Spätdienst. Hier lerne ich die Kolleginnen und Kollegen kennen und lerne ihre Sprache und Arbeitsabläufe kennen.

Welche Situationen führen am häufigsten dazu, dass Polizeibeamt:innen Ihre Unterstützung suchen?

In der Regel handelt es sich um Erlebnisse, die sich von alltäglichen (beruflichen) Erfahrungen abheben. Dies kann zum Beispiel der Tod eines Kinders, Unfalltote im selben Alter des Polizeibeschäftigten, aber auch kontinuierliche Belastungen (bei Sachbearbeiter:innen) sein,…

Arbeiten Sie eher reaktiv – also nach belastenden Einsätzen – oder auch präventiv?

Wir arbeiten sowohl präventiv als auch reaktiv. Wir setzten uns im Vorfeld mit Themen wie z. B. „Umgang mit Tod“, „Todesnachrichten überbringen“ auseinander. Wir bieten aber auch Nachsorgeangebote nach herausfordernden Ereignissen an.

Welche Rolle spielt Ihre Arbeit bei der Verarbeitung von traumatischen Erlebnissen oder moralischen Konflikten?

Die Beschäftigten im Polizeidienst werden mit Ereignissen konfrontiert, die das Potential in sich bergen, sich negativ auswirken zu können. Als Polizeiseelsorger können wir den Polizeibeschäftigten einen Schutzraum. bieten. Neben den Polizeiärzt:innen sind wir Seelsorger die einzige Personengruppe, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Ebenso ist es wichtig, dass wir als Seelsorger nicht Teil des Polizeisystems sind und wir absolut unabhängig arbeiten können. Wir sind ansprechbar jenseits aller Dienstwege. Die Möglichkeit über ein Erlebnis sprechen zu können und die Anerkennung von Leid, sind zwei wichtige Bausteine in der Nachsorge. Darüber hinaus können wir auch in ethischen Fragestellungen wichtige Impulse liefern.

Wie begegnen Sie der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt innerhalb der Polizei?

Ich erlebe diese Vielfalt als Bereicherung und Herausforderung zugleich.

Welche Rolle spielt Spiritualität in Ihrer Arbeit – und wie offen sind die Einsatzkräfte dafür?

Was ist Spiritualität? Zunächst aber bin ich selbst in meiner eigenen Spiritualität herausgefordert. Ich arbeite in einem absolut profanen Raum und ich sprachfähig werden, wenn ich in dem System Polizei eine Relevanz herstellen will. Wenn ich Frage verstanden habe, muss ich für mich eine Antwort finden. Die Polizistinnen und Polizisten erwarten oft aber keine fertige Antwort, sondern eher einen Impuls. Sind neugierig, wie ich als Christ mit einer Thematik umgehe.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrer Tätigkeit?

Es ist eine große Herausforderung zu beobachten, dass es zum Teil sehr schwerfällt, Unterstützung oder Hilfe anzunehmen.

Gibt es Situationen, in denen Sie an Ihre Grenzen stoßen – und wie gehen Sie damit um?

Natürlich gibt es Grenzen. Hier kann ich auf die Zusammenarbeit mit anderen katholischen oder evangelischen Polizeiseelsorgenden zurückgreifen. Auch sind wir mit den Psychologinnen, die innerhalb der Polizei arbeiten vernetzt. Hier gibt es eine gute Zusammenarbeit.

Wie wird Ihre Arbeit innerhalb der Polizei wahrgenommen – eher als Unterstützung, als Begleitung oder als Notfallhilfe?

Alle drei Formen werden innerhalb der Polizei nachgefragt.

Haben Sie das Gefühl, dass sich die Einstellung zur Seelsorge in den letzten Jahren verändert hat?

Ich bin seit 8 Jahren Polizeiseelsorger. Ich denke, dass ich vermitteln konnte, dass Seelsorge auch Professionalität beinhaltet und Seelsorge nicht nur „Händchen halten“ ist.

Was gibt Ihnen persönlich Kraft und Halt in Ihrer Arbeit?

Mich hat der Satz „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9) geprägt. Wenn wir bei diesem Satz auf das Kreuz schauen, eröffnet es den Horizont, was Liebe bedeuten kann. Mich motivieren auch die Menschen, die es unter dem Kreuz aushalten. Ich erlebe die Belastungen und Herausforderungen im Polizeidienst, den Einsatz für Menschen und auch das Risiko, dass die Kolleginnen und Kollegen eingehen. In der Begleitung der Menschen in Uniform nimmt Kirche hier einen wichtigen gesellschaftlichen Dienst wahr. Ich muss Christus nicht vor mir hertragen. Ihn aber als Schutz und Stütze hinter meinem Rücken zu wissen, stärkt mich. 

 

Kreisdekanat Kleve
10.10.2025